Text des Katalogs ’45º’, herausgegeben vom Young Area des Stadtrats von Langreo.2007. Spanisch – Deutsche Übersetzung. ( Pflichtexemplar : AS-3498/07 )

Es sieht aus wie ein Teil einer Navigationskoordinate. Aber wir sprechen hier nicht von ihrem Standort auf der Erde oder auf dem Ozean. Wir sprechen von der Drehung einer quadratischen Leinwand, und so in eine Raute verwandelt wird. Die geometrische Figur einer Autorin, die stets mit grundlegenden geometrischen Formen arbeitet und nun alle Möglichkeiten erforscht, die diese Formen in sich bergen.

Bis jetzt haben wir gesehen, wie die Autorin in ihren Werken ein dynamisches Gleichgewicht suchte, hergestellt aus Formen, Farben und Geweben, welche eine ganz bestimmte emotionale Wahrnehmung hervorriefen. Aber ihr geometrisches Spiel trieb sie stetig dazu, neue Seelenformen des Ausdrucks zu finden, neue Gleichgewichte zu finden, neue Bewegungen. Und diese Suche, die in ihren vorherigen Werken den Anstoß gaben, aus dem Quadrat herauszutreten, sind schließlich zu einem neuen Format gereift, das in sich selbst instabil und dynamisch ist und sich von daher emotional von dem abhebt, was sie uns zuvor präsentierte.

Die Raute ist an sich eine Form, die man als instabil wahrnimmt und nur ein vergängliches Gleichgewicht hält. Sie verlangt ein detailliiertes Studium der Formen, um sie in der Wahrnehmung zu stabilisieren. Wir haben daher eine Arbeit vor uns, die sich in dem Zustandekommen des Gleichgewichts durch Linien begründet und dessen Volumen durch die Brüche entsteht, welche die Ebenen innerhalb der Raute zeigen. Das Quadrat oder das Rechteck, das diese Künstlerin bislang benutzt hat, ist eine sehr stabile Form, die man dynamisieren muss, indem man mit Farbmassen Ebenen konstruiert, die mithilfe von Brüchen eine Perspektive entstehen lassen und indem Linien die Stabilität der Grundform aus dem Gleichgewicht reißen.

Wir befinden uns also vor einem neuen, und ich würde sagen, einem entgegengesetzten Experimentierprozess, obwohl die verwendeten Objekte dieselben bleiben: Ebenen, Linien und Farbmassen.

Die Spiele mit dem Gleichgewicht, die sie uns hier zeigt, sind komplexer.

Jede Raute hat eine dominante Farbe: rot, gelb, grün und vorwiegend blau, ihre Zauberfarbe. Und wie es ihre Gewohnheit ist, sind es keine glatten Farbflächen, sondern minutiös gemischte Farbmischungen um eine möglichst große Skala von Farbabstufungen zu erzielen. Darauf folgen ebenfalls die Brüche der Ebenen und der Gebrauch von Farbperspektive, um den emotionalen Effekt zu bewirken, den sie hervorrufen möchte. Sie benutzt die Senkrechten und die Waagerechten um die Wahrnehmung des Bildes ins Gleichgewicht zu bringen, und nun braucht sie, um dasselbe zu bewirken, eine größere Komplexität von linearen Formen. Wenn das Werk manchmal, wie im Falle des grünen Bildes, einen Moment in seiner Kreisbewegung stehen zu bleiben scheint, kaum stabilisiert durch ein dünnes blaues Linienkreuz, gestützt durch zwei Ebenen, einer oben aufliegenden schwarzen Ebene und einer anderen Ebene aus groben Linien in einem sehr  hellen Ton, so verflüchtigt sich bei anderen Bildern dieser Eindruck des Stehenbleibens einer kontinuierlichen Bewegung dank der runden Form und der Stärke der vertikalen Linien oder dank des größeren Ausmaßes der Farbebenen.

Die ständige Notwendigkeit mit verschiedenen Größen zu spielen und der Impuls ihrer Werke, der danach verlangt, sich über sich hinaus auszudehnen, hat sie auch zu großen Formaten gebracht, so dass letztendlich „removibles“, mobile Wandgemälde entstanden. Das heißt, Bilder, die in Teilen angefertigt sind und angebracht werden und sich in situ, an ihrem Ort ergänzen, das bedeutet einen schwierigen Prozess bei der Montage. In diesem Fall zeigt sie uns eine große Wandbemalung in blau, die den Blick des Betrachters anzieht und verwickelt, indem sie ihn in eine Welt virtueller Farbtöne einführt.

In jedem Fall ist das Endergebnis aller dieser Werke interessant, da die Mehrheit von ihnen ein großes Gleichgewicht erlangt, dank des genauen Studiums der Wahrnehmung von Formen. Eine komplexe Arbeit, die mit scheinbar so einfachen Mitteln hergestellt wurde, wie mit Farbmassen, Ebenen, Richtungslinien und dem exakten Maß all dieser Dinge. Dies ist die besondere Qualität der Werke von Silvia Lerín, ein einfaches Erscheinungsbild zu erschaffen mit schwierig auszuführender Arbeit. Ars est celare artem sagten die antiken Völker und das ist, was diese Künstlerin tut: Kunstwerke erschaffen, die das Künstlerische in sich bergen.

M.T. Beguiristain

2008 – Vizepräsidentin AICA

Übersetzung: Antje Fischer-Islas — Philologin spanischer und französischer Philologie

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